Community statt ADAC: wie mir heute geholfen wurde
Ich sitze gerade gemütlich und alleine am Feuer und lasse den Tag Revue passieren.
Heute Vormittag habe ich mich im Sand festgefahren. Warum auch habe ich diese Route gewählt? Na, der Klassiker… Google Maps. Was weiß Google Maps auch, dass dieser Weg so sandig ist, dass er für meinen Ford Fiesta nicht gemacht ist.
Die Räder drehten sich aber nichts bewegte sich. Außer dem Sand unter mir, der flog überall hin.
Ich lief zum nächsten Compound, Gottseidank war jemand da, zwei Frauen, die Wäsche wuschen. Und ich hatte Glück, eine Frau sprach sogar ein bisschen Englisch. Ich erzählte, was mir passiert war und sie rief einen Bekannten aus der Nachbarschaft an, der wiederum brachte noch jemanden mit. Doch zu zweit schafften sie es nicht.
Aber die Geräusche vom durchdrehenden Motor lockten weitere Männer an. Letztendlich waren es sechs. Einer setzte sich ans Steuer und die anderen hoben das Auto an und schoben rückwärts. Und Meter für Meter bewegte sich das Auto. Der Fahrer wendete noch aber dann plötzlich war das Auto komplett tot. 1. Gang, 2. Gang, Rückwärtsgang – alles tot. Das Auto bewegte sich nicht mehr. Kupplungsscheibe defekt!
Ich rief Moctar an und der rief einen befreundeten Automechaniker hier in Abene an. Die Männer erklärten ihm, wo wir waren, denn ich wusste es nicht.
In der Zwischenzeit wartete ich in einem anderen Compound, bei Franziska, die aus der Schweiz kommt und seit vier Jahren in Abene ist und wie ich hier überwintert. Sie erzählte mir lachend, dass das immer wieder vorkommt, dass hier jemand stecken bleibt. Ich bin also kein Einzelfall.
Kurz darauf kam der Mechaniker mit seinem Bruder in einem 4×4 BMW-Geländewagen. In einem Lastwagen wenige Meter weiter fanden sie etwas, was sie als Abschleppseil verwenden konnten.
Der Bruder des Mechanikers setzte sich ans Steuer meines Autos, mich setzten sie auf den Beifahrersitz vom BMW.
Aber das Abschleppen funktionierte nicht. Der Sand war zu tief und es ging ein bisschen bergauf. Die Jungs von vorhin tauchten wieder auf und drückten und drückten und besorgten Holzbretter, die sie unter die Vorderräder meines Autos legten.
Ja, wir fuhren! Und fuhren bis zur Werkstatt. Dort lösten sie mein Auto vom BMW und der Bruder des Mechanikers brachte mich nach Hause. Ich sagte ihm, dass ich noch was zu Essen für die Jungs bei mir auf der Baustelle kaufen müsste, die Ärmsten hatten nämlich noch nichts gegessen und es war schon weit nach Mittag.
Er fuhr mit mir zu einem kleinen Restaurant, wo seine „Schwester“ arbeitet und sie füllte eine große Schale mit Thiéboudienne.
Er wohnt nicht weit von mir entfernt. Als wir an seinem Haus vorbei kamen, hielt er an und stieg aus, drückte mir den Schlüssel in die Hand und meinte: „Du kannst mein Auto haben, bis deines wieder fertig ist.“ Und dann verschwand er durch die Tür.
Ich war sprachlos und gerührt! Der kennt mich nicht einmal! Aber er kennt Moctar, er war viele Jahre sein Trommelschüler. Ja, hier gilt noch: die Freunde meiner Freunde sind auch meine Freunde.
Was ich heute gelernt habe: Hier lebt Community-Service. Alle haben sich zusammengerauft: der Mechaniker, sein Bruder und Männer aus dem Dorf. Jeder wusste, was zu tun war. Der eine schob, der andere hielt das Auto, jemand lief los, um Verstärkung zu holen. Hände griffen, Füße stemmten, Stimmen gaben Kommandos. Alles lief Hand in Hand. Ohne Drama, ohne große Worte. Ich musste nichts erklären. Niemand schimpfte. Niemand machte mir Vorwürfe. Sie haben einfach gemacht. Und mich behandelt, wie eine Prinzessin.
Ich war und bin völlig geflasht von dieser Hilfsbereitschaft. Und ich bin unendlich dankbar dafür.
Ich merke, wie sehr mich das alles verändert: wie leicht es sein kann, Hilfe anzunehmen. Wie gut es tut, einfach zu vertrauen. Und wie sehr solche Momente zeigen, dass Menschlichkeit nicht kompliziert sein muss – sie ist einfach da, wenn man sie zulässt.