Schlangen, Drachen und jede Menge Musik

Lange habe ich nichts mehr geschrieben. Fast vier Monate sind nun vergangen, dass ich Senegal verlassen habe und ich muss noch weitere zwei oder sogar zweieinhalb Monate warten, bis ich wieder dort bin.
Ich war erst in Bottrop in Deutschland aber nicht sehr lange. Seit Ende Mai bin ich in Tschechien, wo ich seit 22 Jahren ein Haus auf dem Land habe. Hier verbringe ich seit 13 oder 14 Jahren den gesamten Sommer, meist bis Ende Oktober. Und so ist es auch dieses Jahr wieder und doch ist vieles anders.
Die letzten Jahre habe ich viel genäht, viel Schmuck gefertigt, ich habe Dutzende Gläser Marmelade gekocht, Gurken eingelegt, ich bin viel Fahrrad gefahren… all das habe ich dieses Jahr nicht oder so gut wie nicht gemacht.
Zum Einen habe ich noch viel Marmelade aus den Vorjahren und muss die Regale und auch die Gläser leeren, bevor ich neue befülle. Das Gleiche gilt für die eingelegten Gurken.
Fahrrad fahren kann ich leider gerade nicht. Ich habe seit einigen Wochen eine fiese Baker-Zyste in der Kniekehle, etwa so groß wie ein Hühnerei. Das ist nicht gefährlich aber sehr unangenehm. Laufen, insbesondere bergauf und bergab oder Treppen steigen fällt mir sehr schwer und ist mitunter sehr schmerzhaft. Noch habe ich nicht herausgefunden, was denn die Ursache für diese Baker-Zyste ist.

Aber es gibt noch einen anderen Grund, einen sehr schönen Grund, warum ich vieles von dem, was ich in den letzten Jahren gemacht habe, diesen Sommer nicht mache. Ich mache viel Musik!
In Senegal habe ich viele westafrikanische Mandinka-Lieder gelernt und ich hatte mir vorgenommen, mit diesen Liedern aufzutreten.

Meinen ersten Auftritt hatte ich am 30. Mai auf einem Kinder- und Familienfest.
Und dann waren vier Wochen Pause. In der Zeit habe ich geübt, geübt und noch mehr geübt.
Denn die nächsten Termine standen ja bereits fest.

Miniyamba, ein altes traditionelles Mandinka-Lied aus Westafrika. Miniyamba ist eine Anakonda, eine große Schlange. Das Lied handelt von Vertrauen und Versprechen und den Folgen, wenn beides gebrochen wird.



Ende Juni hatte ich gleich zwei Auftritte an zwei Tagen und es hat großen Spaß gemacht!
Und dann wurde es irgendwie ein Selbstläufer, ich habe einige Anfragen und Einladungen bekommen, auf Festivals zu spielen, die ich supergerne und dankbar angenommen habe.
Überall war es toll, die Menschen mögen meine afrikanischen Lieder. Sehr oft schreiben mir irgendwelche Leute, die mich irgendwo gehört haben und fragen, wo ich als nächstes auftrete.
Ich habe nicht gedacht, dass es so gut laufen und so gut ankommen wird!
Das macht mir gerade richtig glücklich.

Ninki Nanka ist ebenfalls ein traditioneller Song aus Westafrika. Er handelt von einem riesigen, fauchenden Drachen mit einem großen Horn. Aber, so die Legende, solange wir singen und tanzen, kann uns der Drache nichts anhaben.


Ein ganz besonderer Auftritt war der am 6.9. auf dem Worldfest. Es bezeichnet sich auch als das kleinste World-Festival der Welt und ich bin jedes Jahr als Gast dabei. Und diesmal war ich als Musikerin dort.
Ich bin gemeinsam mit einem Bekannten aufgetreten, er hat auf indischen Tabla getrommelt und ich habe auf der Kora gespielt.

Maki handelt von einem König, der sich um Waisenkinder kümmert. Die Kinder lieben ihn und rufen ihm zu: „Wayo, wayo, maki na nande – komm her, komm her, Maki komm zu uns“


Zwei Auftritte liegen noch vor mir, vielleicht ergibt sich auch noch irgendwas zwischendurch.
Ich liebe diesen neuen Abschnitt in meinem Leben, mir selbst gibt die Musik unendlich viel.

Zurück nach Abéné

Seit Dienstag bin ich wieder in Abéné, ganz im Norden der Casamance oder knapp unterhalb der Grenze zu Gambia. Zum Einen, weil ich die Hitze in Ziguinchor nicht mehr ertragen habe, wir hatten dort seit über vier Wochen Temperaturen zwischen 38 und 41 Grad, mein Zimmer dort glich einem Backofen. Zum Anderen aber auch, weil ich dringend an meinem Musikprogramm arbeiten muss. In 3 1/2 Wochen fliege ich zurück und so wie es ausschaut, habe ich vielleicht am 30.5. mein erstes Konzert mit westafrikanischen Liedern.

Ich habe eine Menge Lieder mit der wunderbaren Adama Cissokho gelernt aber ich muss sie arrangieren. Manche der Lieder haben nur eine Strophe und werden schnell langweilig, ich bin ja weder Chor noch Orchester, sondern stehe alleine mit meiner Ukulele oder Gitarre auf der Bühne.

Meine tschechische Bekannte Monika hat mir auf ihrem Grundstück Unterschlupf gewährt, hier war ich ja bereits im Januar zum Trommeln, Tanzen, Balafon- und Koraspielen. Hier gibt es viel Platz und vor allem eins: Ruhe. Denn die brauche ich, um mich musikalisch-kreativ auszutoben.

Kaira heißt Frieden und Kunda heißt Familie, beide Wörter entstammen aus dem Mandinka

Am Mittwoch bin ich mit Fieber aufgewacht. Na klasse, dachte ich mir, das fängt ja gut an. Wahrscheinlich irgendein Darminfekt, denn ich kam vom Klo nicht runter. Und so habe ich den Tag abwechselnd in meiner Hängematte und meinem Bett verbracht.

Am Abend ging es mir trotz 38,2 Grad Fieber so gut, dass ich ein paar Lieder arrangiert habe. Noch nicht die finale Fassung aber der Anfang ist gemacht.

Am nächsten Morgen war zumindestens das Fieber wieder runter. Ich nutzte den Vormittag zum spielen und üben. Erst auf der Ukulele, dann auf der Kora, dachte ich…

Aber eine der Stimmmechaniken ließ sich nicht mehr nach oben bewegen. Ausgerechnet die B-Saite auf der linken Seite. Die brauche ich in jedem Lied!

Was tun? Ich beschloss, aus der Not eine Tugend zu machen und zum Strand zu gehen. Der Weg zum Strand führt am Haus meines Kora-Lehrers Modou Konté vorbei. Und er war gerade draußen. Was ein Glück! Ich fragte ihn, ob er vielleicht eine Ersatzmechanik hätte… Ja! Hat er!

Und so änderte ich schnell meinen Plan, holte die Kora und lief zurück.

Doch bevor Modou meine Kora reparierte, gab es erst mal was zu Essen, Modou hatte nämlich gekocht.

Anschließend haben wir gejamt, mit Kora und Gitarre und viel Gesang, ich kann ja nun einige der typischen westafrikanischen Mandinka-Songs. Und dann gab es noch ein kleines Privatkonzert für uns, er hat zur Zeit nämlich noch einen Gast aus Frankreich bei sich.

„Fatou Yo“ in Brikama

Mittwoch, 27. November 2024
Ich bin heute nach Brikama gefahren, denn ich wollte zu Q-Cell ein Internet-Provider, um ein Bundle für meinen W-lan Router zu kaufen.
In Brikama gibt es ausserdem noch einen großen afrikanischen Markt, also einen wirklich afrikanischen. Nicht so einen, der für die Touristen ist, mit schönen und ausgesuchten Kunsthandwerkprodukten. Sondern einen Markt von Einheimischen für Einheimische. Man bekommt dort Kleidung, neu oder neuwertig und gebraucht, Obst und Gemüse aus den unterschiedlichen Gärten, Fisch und alles mögliche.

Es war unglaublich heiss und ich suchte mir schattige Gassen und eigentlich auch etwas zum Hinsetzen, denn mein Kreislauf verließ mich gerade ein wenig.
Und dann war da der Mann, der einer Frau die Dreads auffrischte. Die Frau saß auf einer kleinen Bank vor einem kleinen Shop. Als der Hairdresser mich sah, blinkten seine Augen und er meinte, ich solle mich setzen, er würde mir meine Dreads auch auffrischen. Hinsetzen wollte ich mich gerne aber keine Auffrisch-Prozedur. Ich fragte ihn dennoch, welche Technik er verwendet. Er meinte, ich mache dir eine Probesträhne, dann siehst du, ob es dir gefällt.

Er unterbrach also die Arbeit an der anderen Frau, die das hinnahm, als wäre das das Selbstverständlichste auf dieser Welt. Sie hatte ihre kleine Tochter dabei, sie nutze die Pause, um sie zu stillen. Ja, in Gambia wird öffentlich gestillt und keiner sagt etwas dagegen, dabei ist es ein muslimisches Land.

Mir gegenüber saßen drei Jugendliche im Alter von 14-17 Jahren. Ich wunderte mich, dass sie dort waren, mittags sind eigentlich Kinder und Jugendliche in der Schule. Ich fragte sie, ob sie nicht zur Schule gehen. Doch aber erst am Nachmittag. Ich fragte, was sie mal später beruflich machen möchten und die Antworten überraschten mich.
Einer von ihnen möchte wie sein Vater Schneider werden aber auch Sänger, denn er singt gerne. Der zweite möchte Fußballer werden, natürlich in der Nationalmannschaft Gambias.
Und der dritte sagte, er möchte irgendwann Präsident von Gambia werden. Wow, ich sicherte ihm meine Unterstützung zu.
Alle drei arbeiten neben der Schule als Schneider.

Aboubacar, der Hairdresser, arbeitete noch an meiner Probesträhne, da setzte sich eine Frau zu uns, in einem tollen, farbenprächtigen Kleid. Das war Amtie, die Mutter des zukünftigen Präsidenten. Eine sehr warmherzige Frau. Wir redeten nun alle durcheinander, auf Englisch, denn was anderes kann ich nicht.
In Gambia werden verschiedene Sprachen gesprochen. Hauptsächlich Mandinka, eine Sprache, die in ganz West-Afrika gesprochen wird. Aber daneben gibt es auch noch Wolof oder Fula oder Jola…



Irgendwann habe ich angefangen, das Lied „Fatou yo“ zu singen. Und alle kannten es und haben mitgesungen. Das war so schön! Ja, so ist Gambia. Du gehst alleine zum Markt und wenn du gehst, hast du viele neue Bekanntschaften geschlossen.
Aboubacar hat meine Probesträhne übrigens ganz wunderbar gemacht, in etwa drei Wochen darf er meinen kompletten Kopf bearbeiten.
Und von den drei Jungs werde ich mir ein Kleid nähen lassen. So eines, wie Amtie anhatte.

Abenteuer Gambia – Start jetzt

Ich sitze am Flughafen in Düsseldorf, mein Flug geht in etwas mehr als einer Stunde.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich nach Gambia fliege, seit Januar 2023 war ich fünf Mal dort und dennoch ist dieses Mal alles anders. Dieses Mal fliege ich nicht für drei oder vier Wochen, dieses Mal möchte ich 1/2 Jahr bleiben.
Ich möchte viel lernen: ich werde wieder Kora-Unterricht nehmen, ich möchte trommeln, viele traditionelle afrikanische Lieder lernen, die ich singen und auf meiner Ukulele begleiten kann. Ich möchte batiken lernen. Und mindestens ein Fotoprojekt realisieren und ich möchte mit gambischen Frauen nähen.
Zwischendurch werde ich drei bis vier Wochen in Senegal sein, gemeinsam mit einer tschechischen Gruppe, um zu trommeln, zu tanzen und Spaß zu haben.
Den Rest der Zeit werde ich in Gambia verbringen, alleine auf mich gestellt.
Ich freue mich auf die Menschen, denen ich begegnen werde, ich freue mich auf die Sonne Afrikas, das Meer, die schönen Strände, das leckere Essen, die kraftvolle Musik.
Ich freue mich auf diese Zeit, ich freue mich auf dieses Abenteuer.