Abéné – wenn Kunst ein Zuhause hat, dann hier

Ich weiss noch, als ich in Abéné ankam, fühlte ich mich wie in einem Soundcheck. Der Kleinbus, der unsere Gruppe brachte, stoppte vor dem Compound, das für die nächsten drei Wochen mein Zuhause sein sollte, die Tür ging auf — und bevor ich überhaupt einen Fuß auf den Boden gesetzt hatte, war ich schon drin in dieser Welt aus Trommeln und Tanzen.
Vor uns standen etliche Trommler und Tänzer*innen, die einen herrlichen Lärm für uns machten. Selten habe ich mich so willkommen gefühlt wie in dem Moment.
Und da war mir klar: Ich bin hier als Musikerin angekommen und nicht als Touristin.

Ankunft in Abéné

Sehr schnell habe ich mich in den kleinen Küstenort verliebt. Es ist unfassbar grün dort, Palmen, Cashewwälder, Mangobäume und Mangroven bilden ein sattgrünes und schattenspendendes Dach über den vielen Nebenstraßen.
Teilweise kam es mir vor, als würde hinter dem nächsten Baum der Urwald beginnen, der mich verschluckt.
Es ist relativ ruhig dort. Kein Massentourismus, keine unangenehme Belästigung auf den Straßen oder am Strand. Stattdessen freundliche und aufgeschlossene Menschen.

Und nicht zu vergessen der naturnahe breite und kilometerlange Sandstrand am Atlantik. Je nach Wind sind die Wellen mal flach und ruhig oder auch mal stürmisch und hoch. Am Abend hört man sie weit bis ins Dorf hinein.


Aber der Hauptgrund, warum Abéné mein Ort wurde:
Es ist ein Brutkasten für Kunst und speziell für Musik. Es gibt dort eine so hohe Dichte von Musiker*innen und Tänzer*innen aller Art, wie ich es noch nirgends erlebt habe. Dazu kommen dann noch Batikkünstler*innen, Maler*innen und so vieles mehr. Und all das macht die Luft dort aus.

Genau deshalb kommen Menschen aus unterschiedlichen Ländern hierher, weil sie Teil dieser speziellen Kunst- und Musikkultur sein wollen. Denn man ist hier nicht nur Zuschauer*in, sondern man ist Teil davon.
Und speziell in den Wintermonaten sind überall Workshops, von überall her tönt Musik, hauptsächlich Trommeln natürlich. Bis tief in die Nacht hinein. Ich habe es geliebt und habe verdammt gut mit der rhythmischen Musik im Hintergrund geschlafen.

Was mir auch angenehm auffiel: Abéné ist nach wie vor ein Ort für die Einheimischen. Ich habe dort keine Resorts oder Privatstrände gefunden, die für die einheimische Bevölkerung nicht zugänglich waren, so wie ich das z.B. auf Sansibar oder Kenia gesehen habe.

Ich freue mich riesig auf mein Winter-Zuhause! Von nun an jedes Jahr von Dezember bis April/Mai.
Und wer weiss, vielleicht treffen wir uns dort?


Allgemeine Informationen:
Abéné liegt an der Atlantikküste im Süden Senegals und gehört zur historischen Region der Casamance. Es ist ein Küstendorf mit Strandlage, Mangroven, Wald-/Sumpfgebiet in der Umgebung.
Hier leben etwa 2000-3000 Einwohner*innen, es gibt keine aktuellen Zahlen. 2002 waren es 1935 Einwohner*innen.
Hauptsächlich sind es Angehörige der Ethnien der Diola (Jola) und Mandinka.
Neben den lokalen Sprachen wie Diola oder Mandinka wird Französisch gesprochen, durch die Nähe zu Gambia können viele aber auch Englisch.

Zurück nach Abéné

Seit Dienstag bin ich wieder in Abéné, ganz im Norden der Casamance oder knapp unterhalb der Grenze zu Gambia. Zum Einen, weil ich die Hitze in Ziguinchor nicht mehr ertragen habe, wir hatten dort seit über vier Wochen Temperaturen zwischen 38 und 41 Grad, mein Zimmer dort glich einem Backofen. Zum Anderen aber auch, weil ich dringend an meinem Musikprogramm arbeiten muss. In 3 1/2 Wochen fliege ich zurück und so wie es ausschaut, habe ich vielleicht am 30.5. mein erstes Konzert mit westafrikanischen Liedern.

Ich habe eine Menge Lieder mit der wunderbaren Adama Cissokho gelernt aber ich muss sie arrangieren. Manche der Lieder haben nur eine Strophe und werden schnell langweilig, ich bin ja weder Chor noch Orchester, sondern stehe alleine mit meiner Ukulele oder Gitarre auf der Bühne.

Meine tschechische Bekannte Monika hat mir auf ihrem Grundstück Unterschlupf gewährt, hier war ich ja bereits im Januar zum Trommeln, Tanzen, Balafon- und Koraspielen. Hier gibt es viel Platz und vor allem eins: Ruhe. Denn die brauche ich, um mich musikalisch-kreativ auszutoben.

Kaira heißt Frieden und Kunda heißt Familie, beide Wörter entstammen aus dem Mandinka

Am Mittwoch bin ich mit Fieber aufgewacht. Na klasse, dachte ich mir, das fängt ja gut an. Wahrscheinlich irgendein Darminfekt, denn ich kam vom Klo nicht runter. Und so habe ich den Tag abwechselnd in meiner Hängematte und meinem Bett verbracht.

Am Abend ging es mir trotz 38,2 Grad Fieber so gut, dass ich ein paar Lieder arrangiert habe. Noch nicht die finale Fassung aber der Anfang ist gemacht.

Am nächsten Morgen war zumindestens das Fieber wieder runter. Ich nutzte den Vormittag zum spielen und üben. Erst auf der Ukulele, dann auf der Kora, dachte ich…

Aber eine der Stimmmechaniken ließ sich nicht mehr nach oben bewegen. Ausgerechnet die B-Saite auf der linken Seite. Die brauche ich in jedem Lied!

Was tun? Ich beschloss, aus der Not eine Tugend zu machen und zum Strand zu gehen. Der Weg zum Strand führt am Haus meines Kora-Lehrers Modou Konté vorbei. Und er war gerade draußen. Was ein Glück! Ich fragte ihn, ob er vielleicht eine Ersatzmechanik hätte… Ja! Hat er!

Und so änderte ich schnell meinen Plan, holte die Kora und lief zurück.

Doch bevor Modou meine Kora reparierte, gab es erst mal was zu Essen, Modou hatte nämlich gekocht.

Anschließend haben wir gejamt, mit Kora und Gitarre und viel Gesang, ich kann ja nun einige der typischen westafrikanischen Mandinka-Songs. Und dann gab es noch ein kleines Privatkonzert für uns, er hat zur Zeit nämlich noch einen Gast aus Frankreich bei sich.

Ausspannen in Cap Skirring

Es ist Ramadan, meine Familie in Ziguinchor fastet. Sie essen und trinken nichts von Sonnenaufgang bis zum Sonnenuntergang. Ich muss nicht fasten, weder gibt das meine Religion vor, noch wird es von mir erwartet. „Ist nicht deine Kultur“ sagt meine Familie. Ich darf essen und trinken, soviel ich will aber aus Rücksicht und Respekt tue ich dies auf meinem Zimmer.
Die Tage sind etwas langweilig, alle sind müde, hungrig, durstig…
Ich hatte mit meinem Mann vereinbart, dass ich zwischendurch einfach für ein paar Tage weg fahre. Hatte ich eh vor, bevor ich im November 2024 nach Gambia geflogen bin. Ich hatte mir damals vorgenommen, mir die Casamance anzuschauen.
Ich buchte mir eine Unterkunft, packte meine Kora, Ukulele, meine Kamera und ein bisschen Kleidung ins Auto und fuhr nach Cap Skirring.
Es ist nicht weit, etwas mehr als 65 km. Aber die Straße ist auch hier irgendwann nicht gut. Und so habe ich etwa zwei Stunden gebraucht.

Innenstadt Cap Skirring

Meine Unterkunft lag etwas ausserhalb von Cap Skirring, nördlich. Ich musste also durch das Zentrum und hielt dort, um ein bisschen durch die Geschäfte zu schlendern aber vor allem, um etwas zu essen, ich hatte Hunger.
Die Innenstadt von Cap Skirring ist laut und voll und es stinkt. Kein wirklich schöner Ort. Aber ich habe ein nettes kleines Restaurant gefunden und das Tagesgericht bestellt. „Sole“, das ist Seezunge, sie war mit viel Knoblauch gebraten. Dazu gab es Reis und Salat. Ja, Salat!
Es gibt ja die Regel: Fry it, boil it, peel it or leave it. Aber daran halte ich mich schon lange nicht mehr. Ich esse oft Salat hier: grüne Blattsalate, Tomaten, Gurken… das alles wird mit lokalem Leitungswasser gewaschen. Bisher hatte ich keine Probleme. Ich hoffe, es bleibt so.

Ich fahre zu meiner Unterkunft. Die letzten 2 1/2 Kilometer sind Sandpiste. Die ersten 2 Kilometer lassen sich ganz gut fahren, danach wird es so richtig sandig, so als würde man in der Wüste fahren.
Aber mein kleiner Ford Fiesta bringt mich ans Ziel und ein wenig natürlich auch meine Fahrkunst. 😉
Wer es gewohnt ist, auf Schnee und Glatteis zu fahren, der kommt auch mit Sand zurecht.

Später erfuhr ich, dass Taxifahrer es ablehnen, bis zur Lodge zu fahren, sie lassen ihre Fahrgäste 1/2 km laufen.

Ich habe dort ein echt schönes Zimmer, in einem kleinen runden Haus. Die Hälfte des Haus ist mein Zimmer. Die andere Hälfte ist ein anderes Gästezimmer. Und in diesem wohnt ein Paar aus Düsseldorf, die Welt ist mal wieder sehr klein. 😂

Viel Natur und viele Bäume in der
Lodge „Le Kibalaou“

Als erstes gehe ich zum Strand, der ist etwa 100 m weit entfernt, das Wellenrauschen hört man bis hierher und wird mich auch in der Nacht begleiten.

Privatstrand ohne Beachboys und lästige Verkäufer

Am Abend setze ich mich zu den beiden Düsseldorfern. Wir essen zusammen und quatschten noch bis Mitternacht.

Solltet ihr jemals nach Cap Skirring fahren, nehmt euch warme Kleidung mit! Es ist am Abend sehr kühl dort! Ich habe zum ersten Mal, seitdem ich in Gambia und Senegal bin, gefroren. 🥶

Am nächsten Tag fahren wir gemeinsam nach Boucotte, ins Joola-Museum „Kadioute“. Es ist kein klassisches Museum, sondern eines im Wald. Wir haben viel Spannendes erfahren und es gab tolle Bäume zu bestaunen.

Nach dem Museumsbesuch haben wir Hunger und wir fahren nach Kabrousse an den Strand. Und dort finden wir ein kleines Restaurant und essen sehr leckere Fischspiesse.

Jede Menge Kühe am Strand von Kabrousse

Am Tag meiner Abreise fahre ich noch nach Diébéring, ein ganz kleiner Ort nördlich von Cap Skirring. Mitten auf dem Dorfplatz steht ein riesiger Baobabbaum. Rund um den Baum ist ein kleiner Markt mit Obst, Gemüse, Kleidung, Haushaltswaren.

In einem Shop habe ich diese schönen Puppen entdeckt, sie werden von drei Frauen gefertigt und für umgerechnet 10€ verkauft. Der Erlös geht an eine Stiftung, die wiederum die örtliche Schule unterstützt. Ich habe natürlich eine gekauft und durfte als Dankeschön Fotos machen.

Weihnachten unter Palmen

Zum ersten Mal habe ich Weihnachten ohne meine Familie verbracht.

Spoiler: es war keine schlechte Entscheidung. 😉

Für zwei Nächte habe ich mich im Kinkilibar eingebucht. Das ist eine kleine Lodge am Paradise-Beach in Sanyang. Ich kenne Papa und seinen Bruder Lamin persönlich und wusste, das wird eine schöne Zeit dort für mich werden.

Am Nachmittag des 24.12. komme ich dort an. Mein kleiner Ford Fiesta hat die holprige Sandstrasse mühelos bewältigt. Würde es nicht regnen, würde ich mich auf eine der Liegen legen. Echt wahr: es hat am 24.12. geregnet! Normalerweise regnet es im Dezember nicht, von November bis Juni ist Trockenzeit in Gambia. Also sitze ich auf der überdachten Terrasse und lasse mir einen frischen Juice servieren. Banane und Orange. Lecker!

Am Abend genieße ich mein Dinner unter Palmen, mit Blick aufs Meer. Ich bin alleine. Das Essen ist lecker, es gibt gegrillten Fisch mit Pommes (aus frischen Kartoffeln) und Salat.

Ich gehe früh ins Bett, das Rauschen der Wellen schaukelt mich sanft in den Schlaf.

Am nächsten Morgen wache ich früh auf und mache einen Strandspaziergang. Noch steht die Sonne nicht am Himmel, noch ist es nicht so heiß. Und noch sind kaum Leute am Strand.

Ich habe Hunger und ich bekomme ein wunderschönes Frühstück, wieder unter Palmen. Frische Papaya, Omelett, frisches Tapalapa (Brot), Erdnussbutter und Marmelade… mir geht es so gut hier!

Den Rest des Tages verbringe ich auf der Sonnenliege am Strand, schlafend. Eigentlich wollte ich lesen aber das Rauschen der Wellen entspannt mich und macht mich müde.

Am nächsten Morgen fahre ich zurück in meine kleine Wohnung, ich muss packen, für drei bis vier Wochen Abene, eine Stadt in Senegal. Ich werde dort mit anderen Leuten trommeln, tanzen, Kora spielen, auf Festivals gehen und eine gute Zeit haben. Morgen früh geht es los…

Off-Day im Mama Folonka

Mein „Hausstrand“, der Paradise-Beach in Sanyang ist schön, ich mag ihn sehr und es sind nur etwa 5 km von meiner kleinen Wohnung bis dorthin.
Aber es gibt Tage, da ist mir am Strand von Sanyang zu viel los. Und neulich war so ein Tag. Ich wollte Ruhe, absolute Ruhe. Und so bin ich nach Kartong gefahren, ganz im Süden von Gambia.
Das hört sich jetzt nach einer langen Fahrt an aber Gambia ist ein kleines Land, die Autofahrt dauert etwas mehr als 1/2 Stunde inklusive ein paar Straßenkontrollen, die man passieren muss.

Ich fuhr, ohne gefrühstückt zu haben. Ich wollte dort frühstücken, im Mama Folonka. Eine Lodge, von der ich schon viel Gutes gehört habe.
Ich packte meine Kora ins Auto, den Rucksack mit Handtüchern und Sonnencreme und fuhr los.

Im Mama Folonka wurde ich sehr nett begrüßt, so als wäre ich schon etliche Male da gewesen. Dabei war ich zum ersten Mal dort.
Ich erwähnte, dass ich noch nicht gefrühstückt hatte und ob ich etwas zu essen bekommen könnte.
Die Köchin zauberte mir ein herrliches Omelett. Ich ass auf der Terrasse, mein Blick schweifte runter auf den Strand und das Meer. Einfach nur toll!

Es war noch ein anderer Gast auf der Terrasse, am Nachbarstisch. Eine junge Frau aus der Schweiz. Sie fragte mich, woher ich käme und als ich sagte „aus Deutschland“ fragte sie, aus welchem Teil? Ich antwortete: „aus Nordrhein-Westfalen, aus dem Ruhrgebiet“.
„oh!“, sagte sie, „mein Freund kommt auch ursprünglich aus dem Ruhrgebiet, er ist in Bottrop aufgewachsen, vielleicht kennst du die Stadt?“
Ich prustete los vor Lachen. „Ja, das ist die Stadt, in der ich lebe!“
Himmel, wie klein die Welt doch manchmal ist.
Etwas später kam ihr Freund dann hoch zu uns, er war surfen, also echtes surfen, nicht im Internet surfen. Sondern so richtig mit Surfbrett auf dem Atlantik.

Nach meinem Frühstück nahm ich meine Kora und meinen Rucksack und ging die paar Stufen zum Strand hinunter, suchte mir eine schöne Liege unter dem Pavillion aus getrockneten Palmenblättern.
Und hier blieb ich nun den ganzen Nachmittag bis zum Abend.
Ich habe Kora geübt, das ist am Strand noch mal etwas ganz anderes als wenn man vor dem Haus sitzt.

Diese Stille und Ruhe dort habe ich sehr genossen, nur ein paar Kühe laufen über den Strand.

Keine Obstverkäufer, keine Händler, die einem irgendwelche Souvenirs verkaufen wollen. Und vor allem: keine Beachboys!
Am frühen Abend sah ich auf dem Wasser ein paar Fischerboote, die zurückkehrten. Die bunten Boote sieht man von weitem.
Und kurz vor dem Sonnenuntergang kam eine Mitarbeiterin vom Mama Folonko zu mir und meinte, das Essen sei fertig. Ich hatte nämlich vorab ein Dinner für mich bestellt.
Butterfish, das ist der leckere Fisch ohne Gräten.

Und es war lecker! Den Sonnenuntergang gab es ohne Aufpreis dazu.

Ich werde wiederkommen, noch einige Male!